(Paris) Mit dem Einzug François Hollande in den Élysée-Palast scheint auch ein neues goldenes Zeitalter der französischen Freimaurer aufzuziehen. Am vergangenen 16. November erklärte Unterrichtsminister Vincent Peillon im Arthur-Groussier-Tempel des Grand Orient de France (GO): „Wir wollen die Republik neu gründen. Und wir wollen damit in der Schule beginnen! Wie schon zu den besten Zeiten der Dritten Republik [1875–1940, Anm.d.R.] der Laizismus der entscheidende Antrieb für die Regierungstätigkeit war, so ist nun auch die Notwendigkeit die Homo-Ehe durchzusetzen, nur eine weitere Ausdruckform desselben.“
Die „Neugründung der Republik“ – Jeder dritte Minister Freimaurer
„Er teilt unsere Werte, er ist ist ein Freimaurer ohne Schurz“, kommentierte nach der Rede ein Freimaurerer begeistert den Auftritt des Ministers. Tatsächlich sind laut Religion en Libertad „mindestens ein Drittel“ der von Hollande eingesetzten, mit 38 Ministern geradezu „enormen“ Regierung unter Premierminister Jean-Marc Ayrault Freimaurer. In den führenden Positionen der französischen Staatsverwaltung nimmt der Anteil der beschürzten Brüder noch zu. Erst vergangenen Montag besuchte Claude Bartolone, der Präsident der Nationalversammlung eine Loge. Es heißt, er wollte damit seinen Dank zum Ausdruck bringen, daß die Loge für seine Wahl zum Parlamentspräsidenten im Juni unter den ihnen nahestehenden Abgeordneten geworben hatte.
Die führende französische Tageszeitung Le Figaro veröffentlichte einen umfangreichen Bericht über den durch die Präsidenten- und Parlamentswahlen wiedererstarkten Einfluß der Freimaurer, wie sie ihn zuletzt nur in den ersten Jahren der Amtszeit François Mitterands hatten, bis sich selbst der sozialistische Staatspräsident über deren Dreistigkeit empörte.
Die Logen-Erhebung von Le Figaro
Le Figaro befragte alle Regierungsmitglieder nach einer Logenmitgliedschaft. Einige, wie Marylise Lebranchu (Ministerin für die Staatsreform), Stéphane Le Foll (Landwirtschaft) und Alain Vidalies (Beziehungen zum Parlament) verweigerten die Antwort. Andere verneinten, darunter Michel Sapin (Arbeit), doch der Autor des Berichts behauptete, daß einige Regierungsvertreter in Absprache mit den Logen ihre Mitgliedschaft verleugnen würden. Zu diesen gehören, so der Autor, auch Benoà®t Hamon (Wirtschaft und Finanzen), George Pau-Langevin (Reform des Erziehungswesens) und Michà¨le Delaunay (Soziales).
Bei wieder anderen entsprach ihre Nicht-Antwort einer Antwort: Frédéric Cuvillier (Transport) erklärte, „nicht antworten zu können“, obwohl dessen Nähe zum Großorient bekannt ist. Ebenso der bekannte Freimaurer Jean-Yves Le Drian (Verteidigung), der mitteilte „persönliche Überzeugungen nicht zu kommentieren“. Dasselbe gilt auch für andere Freimaurer wie Victorin Lurel (Übersee) oder Jérà´me Cahuzac (Haushalt), der bekanntgab „weder zu bestätigen noch zu dementieren“. Anne-Marie Escoffier (Dezentralisierung), ein bekanntes Mitglied der Frauengroßloge von Frankreich, „fühlt sich nicht zuständig“. Gleiches gilt für Innenminister Manuel Valls, der auf Nachfrage zugab, 1988 initiiert worden zu sein, aber angibt, seit 1996 nicht mehr an der Logenarbeit mitzuwirken.
Kapillares Netzwerk sichert Logeneinfluß
„Der Einfluß der Freimaurer erfolgt vor allem durch ihre kapillare Präsenz in der Regierung, den Ministerien, der Verwaltung und den Parteien“, so Rechtsanwalt Emmanuel Pierrat. Das Mitglied des Großorients von Frankreich ist mit Laurent Kupferman Autor des 2012 erschienenen Buches Ce que la France doit aux francs-maçons (Was Frankreich den Freimaurer schuldet).
Der größte Logeneinfluß wird derzeit im Verteidigungsministerium, dem Innenministerium und dem Unterrichtsministerium verzeichnet, wo nicht nur die Minister, sondern auch die Kabinettschefs und mehrere Abteilungs- und Hauptreferatsleiter den Logen angehören.
Geheimtreffen des Großmeisters des Großorients mit Hollandes Generalsekretär
Die Ziele der französischen Logen, in denen sich Frankreichs antikatholische Kräfte konzentrieren, sind bekannt. Seit dem Regierungswechsel, den sie mit erheblichem Aufwand unterstützt hatten, mobilisieren die Logen zu einer „laizistischen Offensive“, wie sie Frankreich in den vergangenen 30 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Le Figaro enthüllte, daß sich der Großmeister des Großorients von Frankreich, José Gulino, im Oktober geheim mit dem Leiter der Präsidialkanzlei im Élysée-Palast getroffen hat. Einziger Grund des Treffens war die Forderung des Großorients, das Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche in den Verfassungsrang zu erheben. Das 1905 eingeführte und seither mit nur geringfügigen Änderungen in Kraft stehende Gesetz hatte eine ausdrücklich antikatholische Stoßrichtung und trug wesentlich zur Entchristlichung Frankreichs im 20. Jahrhundert bei. Die freimaurerische Laizismus wurde zur Staatsdoktrin erhoben. Der Begriff der „laicité“ wurde 1871 vom französischen Freimaurer und Pädagogen Ferdinand Buisson (1841–1932) geprägt, der maßgeblich an der antikatholischen Gesetzgebung beteiligt war. 1902 waren mehr als 3000 katholische Schulen geschlossen worden, weil der Staat für sich das Bildungsmonopol forderte und dieses religionsfrei gestalten wollte. 1903 wurden alle katholischen Orden aufgehoben und Neugründungen verboten. Buisson wurde 1927 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Antikatholisches Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche soll Verfassungsrang erhalten
Das Gesetz forderte eine entschiedene Antwort des heiligen Papstes Pius X. heraus, der mit seiner Enzyklika Vehementer nos Frankreichs Katholiken zum Widerstand gegen die Freimaurerei aufforderte. Heute knüpft der Erzbischof von Paris und Primas von Frankreich, André Kardinal Vingt-Trois wieder an den Widerstandsgeist von damals an, und Hunderttausende Franzosen sind ihm auf die Straßen gefolgt, um für den Schutz der Ehe zwischen Mann und Frau und gegen die Einführung einer Homo-„Ehe“ samt Adoptionsrecht zu demonstrieren. Ein nicht vorhersehbarer Erfolg.
Katholischer Widerstand von Pius X. bis Kardinal Vingt-Trois
Die Kirche war durch das Gesetz von 1905 aus allen Institutionen entfernt worden, die zum Teil erst durch ihren maßgeblichen Einfluß entstanden waren. Den Logen war es damit gelungen, mit einem Schlag der Republik ihren Geist überzustülpen und gegen jeden Versuch, diese Entwicklung zu korrigieren oder zu reformieren abzuschotten.
Hinter dem Konflikt um die Einführung der Homo-„Ehe“ geht es in Frankreich heute darum, die Logenideologie als Staatsdoktrin zu zementieren, wie der Sozialist und Freimaurer Gérard Contremoulin offen zu verstehen gab. Und bei der derzeitigen französischen Staatsführung haben Empfehlungen des Großorients Gewicht.
Text: Giuseppe Nardi