(Vatikan) Die Glaubenskongregation veröffentlichte am 29. Mai Richtlinien zum Phänomen von „Erscheinungen“ und „Botschaften“. Sie bilden seit 1978 den Maßstab, nach dem die Kirche mutmaßliche Erscheinungen prüft. In den Normae de modo procedendi in diiudicandis praesumptis apparitionibus ac reveationibus wird festgehalten, daß „Privatoffenbarungen“, das heißt „mutmaßliche Erscheinungen, Visionen und Botschaften, die übernatürlichem Ursprung zugeschrieben werden“, um authentisch zu sein, auf Jesus ausgerichtet sein müssen. Sie können „neue Akzente einführen, neue Formen der Frömmigkeit zum Vorschein bringen oder alte vertiefen“, aber sie können in keiner Weise die Offenbarung Gottes „korrigieren“ oder dieser widersprechen.
Richtlinien stammen aus dem Jahr 1978 – Steht Veröffentlichung in Zusammenhang mit Medjugorje?
Die nun veröffentlichten Richtlinien waren bereits am 25. Februar 1978 von der Glaubenskongregation verabschiedet worden, wie William Kardinal Levada, der Präfekt der Kongregation in seiner Einleitung ausführt. Damals waren sie bereits den Bischöfen zur Kenntnis gebracht, aber nicht allgemein bekannt gemacht worden. Grund dafür war, daß sie „in erster Linie die Hirten der Kirche“ betreffen, so der Präfekt. Warum wurden sie nun veröffentlicht? Steht die Veröffentlichung in Zusammenhang mit der noch 2012 erwarteten Entscheidung zu Medjugorje?
Die Frage von Erfahrungen, die an übernatürliche Phänomene geknüpft sind, im Leben und dem Auftrag der Kirche haben stets Aktualität. Dies wurde im Zuge der 12. ordentlichen Bischofssynode von 2008 deutlich. Papst Benedikt XVI. sah die Notwendigkeit, in seinem Nachsynodalen Apostolischen Verbum Domini darauf einzugehen.
Benedikt XVI. über Privatoffenbarungen
„Mit all dem bringt die Kirche das Bewußtsein zum Ausdruck, daß sie in Jesus Christus dem endgültigen Wort Gottes gegenübersteht; er ist »der Erste und der Letzte« (Offb 1,17). Er hat der Schöpfung und der Geschichte ihren endgültigen Sinn gegeben; deshalb sind wir berufen, in diesem eschatologischen Rhythmus des Wortes die Zeit zu leben, die Schöpfung Gottes zu bewohnen; »daher ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgültige Bund, unüberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. 1 Tim 6,14 und Tit 2,13)“
Deshalb betonte Benedikt XVI.: Folglich hat die Synode empfohlen, »den Gläubigen zu helfen, das Wort Gottes von Privatoffenbarungen zu unterscheiden«. [Propositio 47] Diese »sind nicht dazu da, die endgültige Offenbarung Christi … zu „vervollständigen“, sondern sollen helfen, in einem bestimmten Zeitalter tiefer aus ihr zu leben«. [Katechismus der Katholischen Kirche, 67] Der Wert der Privatoffenbarungen ist wesentlich unterschieden von der einer öffentlichen Offenbarung: Diese fordert unseren Glauben an, denn in ihr spricht durch Menschenworte und durch die Vermittlung der lebendigen Gemeinschaft der Kirche hindurch Gott selbst zu uns. Der Maßstab für die Wahrheit einer Privatoffenbarung ist ihre Hinordnung auf Christus selbst. Wenn sie uns von ihm wegführt, dann kommt sie sicher nicht vom Heiligen Geist, der uns in das Evangelium hinein- und nicht aus ihm herausführt. Die Privatoffenbarung ist eine Hilfe zu diesem Glauben, und sie erweist sich gerade dadurch als glaubwürdig, daß sie auf die eine öffentliche Offenbarung verweist. Die kirchliche Approbation einer Privatoffenbarung zeigt daher im wesentlichen an, daß die entsprechende Botschaft nichts enthält, was dem Glauben und den guten Sitten entgegensteht; es ist erlaubt, sie zu veröffentlichen, und den Gläubigen ist es gestattet, ihr in kluger Weise ihre Zustimmung zu schenken. Eine Privatoffenbarung kann neue Akzente setzen, neue Weisen der Frömmigkeit herausstellen oder alte vertiefen. Sie kann einen gewissen prophetischen Charakter besitzen (vgl. 1 Thess 5,19–21) und eine wertvolle Hilfe sein, das Evangelium in der jeweils gegenwärtigen Stunde besser zu verstehen und zu leben; deshalb soll man sie nicht achtlos beiseite schieben. Sie ist eine Hilfe, die angeboten wird, aber von der man nicht Gebrauch machen muß. Auf jeden Fall muß es darum gehen, daß sie Glaube, Hoffnung und Liebe nährt, die der bleibende Weg des Heils für alle sind. [Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Die Botschaft von Fatima (26. Juni 2000): Ench. Vat. 19, Nrn. 974‑1021]
Lourdes und Fatima wurden von der Kirche offiziell anerkannt
Weltweit gibt es mehrere aktuelle Phänomene mutmaßlicher Erscheinungen und Botschaften, die von den Betroffenen auf übernatürliche Einwirkung zurückgeführt werden. Die Kirche sah in ihrer Geschichte keine Veranlassung, sich zu jedem Phänomen zu äußern, tut dies jedoch, wenn eine besondere Notwendigkeit vorliegt, besonders auch die Gefahr besteht, daß Gläubige in die Irre geführt werden könnten. Nur wenige Erscheinungen wurden von der Kirche offiziell anerkannt. Dazu gehören jene von Lourdes und Fatima.
2010 Untersuchungskommission zu Medjugorje eingesetzt
Aktuell steht eine Entscheidung zu Medjugorje an. Zur Prüfung der mutmaßlichen Erscheinungen in dem herzegowinischen Bergdorf setzte Papst Benedikt XVI. 2010 eine Untersuchungskommission ein, deren Abschlußbericht noch für 2012 erwartet wird.
Die zuständige Bischofskonferenz erklärte 1991 ein „non constat de supernaturalitate“, das heißt, „es steht keine Übernatürlichkeit fest“. Zu welchem abschließenden Urteil die vatikanische Untersuchungskommission gelangen wird, deren Ergebnis von Papst Benedikt XVI. geprüft und gutgeheißen werden muß, ist noch nicht bekannt.
„Non constat de supernaturalitate“ bedeutet laut Richtlinien eine negative Entscheidung
Die nun veröffentlichten Richtlinien von 1978 bilden die Grundlage für die Arbeit der Medjugorje-Untersuchungskommission. Der Kirche stehen gemäß kirchlicher Praxis zwei Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung: „constat de supernaturalitate“, mit der die Übernatürlichkeit für die Kirche feststeht und sie daher eine Erscheinung anerkennt (positive Entscheidung); „non constat de supernaturalitate“, mit der die Kirche feststellt, daß keine Übernatürlichkeit feststeht (negative Entscheidung).
Bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts lautete die negative Entscheidung „constat de non supernaturalitate“. Diese Formulierung wurde in den rechtskräftigen Normae de modo procedendi in diiudicandis praesumptis apparitionibus ac revelationibus der Glaubenskongregation von 1978 durch die neue negative Formulierung ersetzt. Ein „non constat de supernaturalitate“ entspricht demnach einem negativen Urteil über ein angebliches Erscheinungsphänomen, da die alles entscheidende Authentizität zweifelhaft bleibt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: donsasolino
Sehr gut, ich hoffe nur, dass nicht allzuviele Medjugorjegläubige dann enttäuscht sind und Ihr katholischer Glaube, sich nicht nur an Medjugorje festmacht. Wobei ich leider diese Erfahrungen im Bekanntenkreis leider schon gemacht habe. Gut, dass unser lieber heiliger Vater jetzt eine Entscheidung fällt.
Marius Augustin
Der einen Lateiner störende Fehler mit den „reveLationibus“ zieht sich schon durchs halbe Netz. Schade, dass er nicht wenigstens hier gestoppt wird.
Danke, liebe Redaktion, für die eine Korrektur. Bitte denselben Fehler auch im ersten Absatz oben korrigieren. (Ich schlage vor, die gleichfalls verstümmelte interne PDF-Adresse als Mahnmal beizubehalten. :-))
@Carolus: Was meinen Sie genau?
was auch immer in Medju ist oder auch nicht ist…
– die Entscheidung kann nur positiv sein (…so negativ das auch sein mag…)