Christen unter Beschuß – Was die Medien nicht über Syrien berichten

(Damas­kus) „Als die Explo­si­on statt­fand, saß ich in mei­nem Auto kaum hun­dert Meter davon ent­fernt.“ Mar Gre­go­ri­os Yohan­na Ibra­him, der syrisch-ortho­do­xe Metro­po­lit von Alep­po schil­dert auf der christ­lich-ara­bi­schen Inter­net­sei­te abouna​.org, wie er am ver­gan­ge­nen Sonn­tag das Atten­tat im Stadt­teil Sulai­manya erleb­te. Die Bewoh­ner sind ter­ro­ri­siert. Sulai­manya ist das Vier­tel der Chri­sten in der zweit­größ­ten syri­schen Stadt. Drei Tote und 30 Ver­letz­te sind die Bilanz die­ser sich lau­fend stei­gern­den Eska­la­ti­on, die seit einem Jahr das Land erschüttert.

Ein Atten­tat im Chri­sten­vier­tel, ver­übt an einem Sonn­tag­mor­gen. Die Bot­schaft gegen die Chri­sten ist unmiß­ver­ständ­lich. Die Explo­si­on erfolg­te kaum 300 Meter von der Resi­denz des syrisch-ortho­do­xen Bischofs ent­fernt. Noch näher liegt das Klo­ster Er Ram der fran­zis­ka­ni­schen Kusto­die des Hei­li­gen Lan­des. Es wur­de schwer beschä­digt, auch die Kir­che. Die Kin­der und Jugend­li­chen, die sich um die­se Zeit im Klo­ster auf­hal­ten, blie­ben unver­letzt, weil Pater Shadi Bader sie aus­nahms­wei­se etwas frü­her nach Hau­se geschickt hatte.

Offi­zi­ell galt der Angriff der dor­ti­gen Poli­zei­sta­ti­on. Doch Poli­zei­sta­tio­nen und Mili­tär­ein­rich­tun­gen gibt es vie­le in der Stadt. Die Chri­sten bezwei­feln, daß aus­ge­rech­net die­se Sta­ti­on im christ­li­chen Vier­tel und an einem Sonn­tag­vor­mit­tag aus­ge­wählt wur­de. „Es war 11 Uhr und unse­re Gläu­bi­gen kehr­ten von der Hei­li­gen Mes­se zurück“.

Es war bereits das zwei­te Atten­tat im christ­li­chen Vier­tel. Alep­po ist nach Bei­rut und Kai­ro die Stadt mit den dritt­mei­sten Chri­sten im Nahen Osten. Hier leben mehr als 300.000 Chri­sten in einem Mosa­ik aus Riten und Kon­fes­sio­nen. Die Indi­zi­en wei­sen auf isla­mi­sti­sche Mili­zen als Atten­tä­ter hin. Die Isla­mi­sten sind die gro­ßen Nutz­nie­ßer des Bür­ger­kriegs. Sie konn­ten ihre Posi­ti­on deut­lich stär­ken und sind dabei, nach der Macht im Staat zu grei­fen. Inner­halb der „Oppo­si­ti­ons­be­we­gung“ gegen Staats­prä­si­dent Assad haben sie durch ihre Mili­zen bereits die Ober­hand gewonnen.

Bischof Gre­go­ri­os Yohan­na erklärt in sei­nem Schrei­ben an die Chri­sten der Welt, daß ihre Glau­bens­brü­der in Syri­en vor zwei gro­ßen, ihnen auf­ge­zwun­ge­nen Her­aus­for­de­run­gen ste­hen: vor dem Gespenst der Aus­wan­de­rung, wobei die Gren­ze zwi­schen Aus­wan­de­rung und Ver­trei­bung schnell ver­schwim­men könn­te wie bereits in ande­ren Staa­ten des Nahen Ostens. Sie wür­de die christ­li­che Gemein­schaft dezi­mie­ren, wie es im Irak der Fall ist. Das zwei­te Gespenst ist die Aus­brei­tung eines radi­ka­len Islams, wie ihn die Sala­fiten und Waha­bi­ten ver­tre­ten. Sie las­sen das Leben der Chri­sten im gan­zen Ori­ent zu einer stän­di­gen Gefahr wer­den. Sie stel­len die Staats­bür­ger­schaft der Chri­sten in Fra­ge, die Rol­le der Kir­chen, unter­gra­ben den kul­tu­rel­len Plu­ra­lis­mus, die Rechts­ord­nung und die Menschenrechte.

Mit einem Appell rich­tet sich Bischof Gre­go­ri­os Yohan­na an alle Chri­sten: „Herr, erbar­me Dich unser und hilf uns“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: abouna​.org

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