(Riad) Sie kommen von den Philippinen und sind katholisch, sie sind unterbezahlt, werden ausgenützt und oft von ihren Arbeitgebern vergewaltigt. Die Rede ist von den zahlreichen Hausangestellten, die zur gefährdetsten Gruppe in den arabischen Staaten gehören, besonders in Saudi-Arabien. Laut einer Untersuchung des Committee on Overseas Workers Affair erleiden 70 Prozent von ihnen fortlaufend physische und psychische Mißhandlungen.
Trotz Appellen von Menschenrechtsorganisationen kein Schutz für Heer geringqualifizierter Arbeitskräfte
Ungeachtet der ständigen Appelle von Menschenrechtsorganisationen, änderte sich an der Situation nichts. Der philippinischen Regierung ist es bisher lediglich gelungen, die Interessen der besser qualifizierten Arbeitskräfte wie Ingenieure, Ärzte und Krankenschwestern in den arabischen Staaten zu schützen. Sie sind auf dem arabischen Arbeitsmarkt dringend gesucht und daher die einzigen, die über reguläre, abgesicherte Arbeitsverträge verfügen. Die um ein Vielfaches größere Zahl weniger oder nur gering qualifizierter Arbeitskräfte, die als Hausangestellte arbeiten, erhält keine Absicherung, weder was ihre Arbeitsbedingungen noch ihr Gehalt oder ihren Schutz anbelangt.
Vergewaltigung christlicher Hausangestellter (von Frauen und auch Männern) an der Tagesordnung
Mit mehr als zehn Millionen Arbeitskräfte sind die Philippinen nach der Volksrepublik China und Indien das Land, aus dem weltweit am drittmeisten Arbeitsmigranten kommen. Allein 2008 entschieden sich mehr als 600.000 Philippiner aus finanzieller Not für die Staaten der arabischen Halbinsel, obwohl die schlechten Arbeitsbedingungen und die zahlreichen Fälle von Mißhandlungen seit langem bekannt sind. Die Einwanderer dieser großen Gruppe sind vor allem Frauen. Sie arbeiten als Köchinnen, Hausmädchen, Kindermädchen und betreuen alte Menschen in den arabischen Haushalten. Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Arabische, vor allem saudische Arbeitgeber betrachten Hausangestellte, vor allem christliche nicht selten als verfügbaren Besitz. Die meisten Frauen haben nicht einmal Möglichkeit, ihre Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen, weil ihnen viele Arbeitgeber bei ihrem Arbeitsantritt die Dokumente abnehmen und sie damit gewissermaßen zu Geiseln machen. Von der Mißachtung der Religionsfreiheit und der religiösen Gefühle der christlichen Arbeiter und Angestellten ganz zu schweigen.
Fünf Mal vergewaltigt, wie ein Tier behandelt, von Polizei befreit und dennoch in Geiselhaft
Lorena, eine junge Philippinerin, 27 Jahre alt, kam Anfang 2010 nach Saudi-Arabien, um als Hausmädchen bei einer saudischen Familie in Dschidda zu arbeiten. Wie die Frau berichtet, begannen die Mißhandlungen bereits wenige Tage nach ihrer Ankunft. „Als mein Arbeitgeber mich am Flughafen abholte, versuchte er mich sofort zu betätscheln. Ich tat das irgendwie als mißverständliche Landessitte ab, schließlich wollte ich ja nicht gleich meine Arbeit verlieren. In Wirklichkeit wollte er meine Willigkeit testen. In den folgenden Wochen versuchte er sich ständig mir zu nähern. Mit jeder Zurückweisung wurde er energischer und schließlich aggressiv.“ Neun Monate arbeitete Lorena bei der Familie und wurde fünf Mal vergewaltigt. „Es wurde immer schlimmer. Schließlich wurde ich nur mehr wie ein Tier festgehalten und behandelt.“ Zu den Vergewaltigungen mußte die junge Frau zahlreiche andere Mißhandlungen erdulden. „Ich mußte auch 20 Stunden am Tag arbeiten ohne Unterbrechung. Die Frau des Hausherrn beleidigte und schlug mich. Die Anlässe waren nichtig. Zu essen gab man mir nach einiger Zeit nur mehr ein Stück Brot und die Reste vom Essen der Familienmitglieder“.
Am 30. Dezember 2010 gelang es der jungen Christin endlich, sich mit dem Philippines Overseas Labour Office (POLO) in Verbindung zu setzen, die den Fall der Polizei bekanntmachte. Nach Monaten der Ermittlungen wurde der Arbeitgeber verhaftet. Die junge Frau lebt seither beim POLO. Die Behörden verweigern ihr die Ausreise. Bis zum Ende des Prozesses gegen ihren Mißhandler muß sie in Saudi-Arabien bleiben. Ihre Geiselhaft setzt sich damit in anderer Form fort.
In den vergangenen Jahren dokumentierten POLO und philippinische Botschaft Hunderte von Fällen junger Frauen und Männer, die an ihrem Arbeitsplatz gequält und sexuell mißbraucht wurden. Unter ihnen finden sich auch vergewaltige Männer. Auch bekannte und große Unternehmen gehören zu den Tatorten. Am 24. Februar 2012 appellierten 89 philippinische Angestellte der Al Swayaeh Company, einem Kosmetikunternehmen, an den philippinischen Staatspräsidenten Benigno Aquino, sie so schnell als möglich aus Saudi-Arabien herauszuholen. Sie würden alle nur erdenklichen Mißhandlungen erleiden, seit fünf Monaten kein Gehalt mehr erhalten und sogar Hunger leiden, weil man ihnen die Nahrung verweigert.
Im Oktober 2011 kam es zu Protesten der philippinischen Arbeiter einer Firma wegen unerträglicher Arbeitsbedingungen. Die saudischen Eigentümer ließen den Protest von der Polizei niederschlagen.
Statt Menschenrechte und Schutz Tür zugeknallt
Seit dem 3. November des Vorjahres drängt Manila auf ein bilaterales Abkommen mit dem saudischen Arbeitsministerium, um den Arbeitsmigranten Mindestlöhne und Schutz vor physischer und psychologischer Gewalt zu sichern. Riad zeigte bisher jedoch keine Bereitschaft, den Forderungen entgegenzukommen. Statt dessen verweigert es weniger oder gering qualifiziertem Personal von den Philippinen die Einreise nach Saudi-Arabien. Vor wenigen Tagen bezeichnete der saudische Arbeitsminister die philippinischen Wünsche nach Lohnerhöhungen und mehr Schutz für die Arbeitskräfte für „absurd“ und teilte mit, er habe bereits mit den Regierungen anderer Staaten Kontakt aufgenommen, die keine solchen Forderungen erheben. Auf den Philippinen spricht man von „Erpressung“, weil die wirtschaftliche Not ausgenützt und die Menschenwürde mißachtet werden.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews